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Hallo Frau Freitag, ich kann nicht leben, ohne zu lesen. Sobald ich eine Weile (ein paar Tage) nicht lese, werde ich unruhig und sensibel. Ich trage immerzu ein Buch mit mir in der Tasche rum, lese vor dem Schlafen, brauche immer wieder neue. Meinen Sie, ich betreibe damit Weltenflucht? In den Büchern bin ich sicher, fern der Welt, es gibt nur mich und das Buch, sonst nichts. Dann geht es mir gut. Richtig gut. Ohne Bücher könnte ich die Welt schlicht nicht ertragen. Herzliche Grüsse, Anna, 25

Liebe Anna

Solange es mein Buch ist, was Sie lesen, ist alles vollkommen ok. Nur, dass Sie immer wieder Neue brauchen, finde ich etwas gar verschwenderisch. Könnten Sie es nicht nochmals rückwärts lesen und dann einmal laut und einmal im Handstand? 

Nein ernsthaft, Sie sind der feuchte Traum einer ganzen wegsterbenden Branche. Verlage und der Buchhandel leben nur noch, weil Sie eine eingefleischte Leserin sind. Was soll daran schon schlecht sein bitte? Wir haben alle unsere Methoden, um dem alltäglichen Irrsinn zu entkommen. Die einen flüchten sich in Netflix-Serien, die anderen in legale oder nicht so legale Drogen, wieder andere in wechselnde Affären und Sie in ein Buch. Kann jetzt vom Schiff aus grad nicht sagen, was ich sinnvoller finde. Aber von den Nebenwirkungen her ist Ihre Strategie sicherlich die verträglichste. Und sie befinden sich mit dieser Schwäche in bester Gesellschaft und das kann man schliesslich nicht von jedem Fixergrüppli behaupten.

Nur weil um Sie herum keiner mehr liest bedeutet das nicht, dass mit Ihnen etwas falsch ist. Im Gegenteil. Aber bitte: Mein Buch!

Von Herzen, Ihre Kafi

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