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Mein Freund raucht, ich nicht. Er hat nun letzte Woche im grossen Kreis feierlich angekündigt, in Zukunft nur noch zu rauchen, wenn er trinke. Der allgemeine Kommentar war sofort, ob er denn ab jetzt schon morgens saufen wolle. Ernsthaft: Aus Erfahrung weiss ich, dass neuneinhalb von zehn Rauchern nicht aufhören, egal wie oft sie es ankündigen. Was ich nicht nachvollziehen kann, aber egal. Mein Freund hat wenig überraschend schon am nächsten Tag eine Ausrede für die Morgenzigi gefunden. Wie verhält man sich jetzt am besten - weise ich ihn auf seine Inkonsequenz hin oder sage ich nichts? Mir ist grundsätzlich gleich, ob er raucht oder nicht, aber ich mag das Theater darum herum nicht… Tess, 33

Liebe Tess

Glauben Sie mir, ich weiss genau, wovon Sie reden. Es gibt nichts anstrengenderes, als Menschen die sich einen Vorsatz nehmen und diesen in die ganze Welt posaunen, nur um ihn einen halben Tag später klammheimmlich wieder zu brechen.

Das geschieht bei Facebook tagtäglich. Ich habe etliche Freunde (unter anderem Max Küng, der mit grossem Posaunenschlag und dazugehörender Kolumne 2008 bei FB eingestiegen ist, dann mit ebenso grossem Getöse (und selbstverständlich dazugehörender Kolumne) der Community den Rücken zukehrte, um sich fortan wieder Wichtigerem zu widmen (!), um dann kurze Zeit später ganz ohne Trara, sondern kleinlaut wie ein Beinamputiertes Mäuslein wieder in Erscheinung zu treten. Von dieser Sorte habe ich noch einen Künstler mit wenig Selbstvertrauen aber dafür umso grösserem Ego im Portfolio, sowie einen Arzt, der sich praktisch jeden Freitag Abend mit salbungsvollen Worten für immer von Facebook verabschiedet, um spätestens Montag Mittag wieder online zu sein. (Hier seine Frage zu seinem 25484652. Ausstieg von Facebook, er ist selbstverständlich wenige Wochen später wieder im Kreise seiner lieben Freunde gewesen...)

Ich kenne das Problem aber auch von der anderen Seite und habe damit meinen Ex-Mann über längere Zeit fast in den Wahnsinn getrieben. Früher nämlich, als ich noch jung und gusper war, da konnte ich mein Wunschgewicht halten, indem ich lediglich an einem Abend die Woche nichts ass. Die restliche Zeit dafür was ich wollte und soviel ich wollte. Das war eine wunderbare Ära meines Lebens und ich dachte tatsächlich, sie würde für immer anhalten. Aber ich wurde älter und bekam ein Kind und musste bald einsehen, dass Naivität zwar eine herzige Eigenschaft ist, man sich aber früher oder später der Realität stellen muss. Nichtsdestotrotz wollte ich an meinem Dinner-Cancelling-Konzept festhalten, hatte es doch jahrelang grossartig funktioniert! Das führte dazu, dass ich über Monate praktisch an jedem Abend die Woche gross ankündigte, nichts zu essen, sondern nur mit Mann und Sohn am Tisch zu sitzen und ein kleines Teeli zu trinken, ganz ohne Zucker, dafür mit einem Schüssli Zitrone. Das Schüssli ging selbstverständlich nach hinten los; ich ass IMMER mit und danach noch den Teller von meinem Sohn leer und mein damaliger Mann war furchtbar genervt und ich kann es ihm nicht verübeln. Das ganze allabendliche Theater für nichts und wieder nichts, ach was war ich doch früher anstrengend! Das ist heute alles ganz anders, wirklich.

Glücklicherweise habe ich nie mit dem Rauchen angefangen, (ich habe schon im Mutterleib und die ganzen Jahre danach genug Nikotin abbekommen, dass es für ein ganzes Leben reicht und vermutlich auch für ein weiteres, falls da eines folgen sollte) und muss mich darum nicht noch um meinen eigenen Entzug kümmern, aber ich weiss von meinen Kunden, die wegen der Rauchentwöhnung zu mir in die Praxis kommen, wie schwierig der Ausstieg tatsächlich ist. Nikotin ist eine Droge und jahrenlang etablierte Muster lassen sich oft nicht nur mit dem guten Willen verändern. Man will sie loswerden und der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach und so dreht man sich im Kreis und beisst sich in den eigenen Schwanz. Unschöne Sache das.

Es steht Ihnen nun frei, wie Sie sich zu der Sache stellen wollen. Sie können mit dem Mahnfinger dastehen und Ihren Freund an seine guten Vorsätze erinnern, oder Sie können es sein lassen und versuchen, es zu ignorieren. Mein Osteopath sagt mir seit geschätzten 12 Jahren, dass ich etwas für meinen Rücken tun muss und ich pflichte ihm seit geschätzten 12 Jahren bei, um dann ein paar Wochen später wieder bei ihm auf der Matte zu stehn und mich ordentlich durchknacksen zu lassen.

Die Veränderung muss von Ihrem Freund kommen, Sie können nichts tun. Dass er im erweiterten Kreise seine guten Absichten zum Besten gibt ist ein Anfang. Viele tun es ihm gleich und setzten sich selber so etwas unter Druck, das ist ein verbreitetes Vorgehen. Sagen Sie ihm allerdings, dass seine Glaubwürdigkeit darunter leidet, wenn er immer wieder Ultimaten setzt und diese dann nicht einhält. Es ist vielleicht schlauer, es im Stillen für sich anzugehen und die Andern dann mit dem Erfolg zu überraschen. Aber gleichzeitig ist es auch verdammt viel verlangt, schliesslich ist Nikotin die Droge mit dem zweitstärksten Abhängigkeitspotential. Direkt nach Crack. Und von einem, der Kokain raucht erwartet man auch nicht wirklich, dass er von einem Tag auf den Anderen damit aufhört, da kann der Konstantin Wecker auch ein Liedlein von singen. Sie werden also vor allem eins haben müssen; nämlich eine Überdosis Geduld.

Liebe Grüsse und alles Gute! Ihre Kafi.

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