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Liebe Kafi. Meine Ehe ist 10 Jahre alt, meine Beziehung 15 Jahre. Mein Mann konzentriert sich seit geraumer Zeit nur noch auf sich selbst. Seine Arbeit ist ihm wichtiger als alles andere. Das "Wir" gibt es für ihn nicht mehr, nur noch das Ego. Er sagt, dass ich das so zu akzeptieren hätte, er hätte im Moment weder Zeit noch Kraft für mich. Aber, dass er ja vielleicht in 3 oder 5 Jahren dann wieder zum "Wir" und damit zu mir zurückkehren wird. Vielleicht. Muss ich das akzeptieren und zu ihm stehen, weil ich doch vor 10 Jahren Ja gesagt habe? Ist das jetzt dieses "...wie in schlechten Zeiten" und es gilt genau jetzt zum anderen zu halten und nicht genau so egoistisch zu reagieren? Oder darf/soll ich meinen Weg weiter gehen ohne ihn? Ich fühle mich geparkt und darauf habe ich keine Lust. Ich will leben und nicht warten. PS: Ich bin nicht religiös. Regula, 42

Liebe Regula

Sie sind 42 Jahre alt. Wie alt Ihr Mann ist, weiss ich zwar nicht, aber wenn ich davon ausgehe, dass er ein paar Jährchen älter ist als Sie, dann wird er jetzt vermutlich mitten in einer anständigen Midlifecrisis stecken. Aber diese Information bringt Sie auch nicht viel weiter, ich weiss.

Wenn man 15 Jahre zusammen ist, dann kann der Tag kommen, wo man morgens aufsteht und sich fragt, ob das jetzt schon alles war. Das ist nicht despektierlich gemeint und soll Ihre Beziehung in keinster Weise kleinreden, aber oft geschieht dieses Hinterfragen nach ungefähr dieser Zeit. (Nochmals, denn nach sieben Jahren passiert es in der Regel zum ersten Mal.) Sie beide befinden sich nun öppe in der Halbzeit Ihres Lebens und für viele Menschen ist es wie eine letzte Chance, nochmals alles auf den Kopf zu stellen.

Und irgendwie klingt es für mich so, als würde sich Ihr Mann in dieser Phase befinden und Bilanz ziehen, was die Beziehung und sein Leben an sich betrifft. Wo bin ich, wo wollte ich mal sein? Was ist mit meinen Träumen passiert? Vermutlich kennen Sie das alles auch. Es ist nur menschlich, dass man von Zeit zu Zeit mal stehen bleibt und sich all das fragt.

Was in der Zwischenzeit mit Ihnen geschehen soll, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt Papier. Sie sind 42, Regula. Natürlich können Sie die drei bis fünf (bis sieben, bis zehn) Jahre geduldig abwarten und Ihrem Mann in körperlicher und intellektueller Weise die Treue halten und darauf hoffen, dass er zu Ihnen und der gemeinsamen Beziehung zurückfindet. Nur, was passiert solange mit Ihnen? Eine Ehe ist kein Videorekorder, den man beliebig lang auf "Pause" stellen kann und auch keine Kaffeemaschine, die nach einer gewissen Zeit des Nichtgebrauchs in den Stromsparmodus umstellt. Eine Beziehung ist ein lebendiger Mechanismus und will - in irgendeiner Form - gelebt werden.

Setzen Sie sich also mit Ihrem Mann zusammen und besprechen Sie ganz klar, wie es weiter gehen soll. Sie können ihm nicht verbieten, sich für ein paar Jahre zurückzu- ziehen. Aber Sie können für sich entscheiden, was es für Sie bedeutet. Wichtig scheint mir, dass Sie Ihre eigene Entwicklung nicht auf Eis legen, nur weil Ihr Mann eigene Wege gehen will.

Gewissensbisse, dass Sie mit einem ichbezogenen Verhalten, dem Treueschwur der Ehe nicht gerecht werden, müssen Sie deswegen nicht haben. Wenn "in guten wie in schlechten Zeiten" wirklich Bedeutung haben sollte, dann diese, dass Sie sich dem gemeinsamen Gespräch öffnen und nach einer Lösung suchen, die für beide stimmt. Deswegen Zuhause sitzen bleiben und auf seine Rückkehr warten, ist damit aber sicher nicht gemeint.

Nehmen Sie beide es als Chance, sich den Fragen des Lebens nochmals gründlich zu stellen und zu schauen, welchen man gemeinsam als Paar begegnen will und welche man nur im Alleingang beantworten kann.

Wie das Gespräch auch immer ausgeht, bleiben Sie sich und Ihrem Wunsch zu leben und nicht zu warten, unbedingt treu! Denn ob religiös, oder nicht; niemand wird Sie je für Versäumtes oder Vernachlässigtes belohnen!

Mit herzlichem Gruss! Ihre Kafi.

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