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Liebe Frau Freitag. Sie schreiben ja gerne über Kinder und wie sie das Leben mit Freude erfüllen. Aber welche Lebensziele sehen Sie für eine Frau, die sich Kinder wünscht, aber selber nicht zur fruchtbarsten Sorte gehört und erfährt, dass ihr Partner unfruchtbar ist? Kann sie jemals ohne Kinder glücklich werden? Wie weit darf man gehen in einer Welt, in welcher medizinisch alles möglich scheint? Samenspende? Sein Körper mit Hormonen voll pumpen, Versuch um Versuch? Herzlichst. Deine Mirella, 31

Liebe Mirella

Ja, da haben Sie recht, das mache ich gern. Wann immer mich jemand fragt: "Kind oder nicht Kind?", dann sage ich grundsätzlich Kind! Weil Kinder das Leben wirklich bereichern, indem Sie einen wunderbar relativieren. Und weil ich niemanden kenne, der sein Kind bereut und ich zutiefst davon überzeugt bin, dass dieser ganze Regretting Moderhood Scheiss eine Erfindung von einer verzweifelten Onlinejournalistin ist, die mal wieder was schreiben musste, was an einem angeblichen Tabu kratzt. Und weil es fast keine Tabus mehr gibt und angebliche noch viel weniger, hat sie kurzerhand eines erfunden und andere Medien sind dankbar darauf angesprungen, weil es bei allen Medien gut ankommt, wenn man an einem angeblichen Tabu kratzt. Darum sage ich fast immer: go for it, baby.

Das bedeutet aber überhaupt nicht das ich denke, dass das Leben nur mit Kind Sinn macht. Im Gegenteil. Ich bin überzeugt davon, dass man sich auch auf andere Weise relativieren kann und dass es 1000 andere Dinge gibt, die das eigene Leben mit Sinn erfüllen können. Ob das für Sie auch so stimmt, kann ich nicht abschätzen. Es gibt Frauen, die kommen mit einem ganz starken Kinderwunsch zur Welt, bei anderen ist es weniger ausgeprägt und ergibt sich mehr aus der Situation heraus. Bei ersteren wird es sicherlich schwieriger, sich auf ein Leben ohne Kind einzustellen, bei den anderen eventuell einfacher. Muss aber auch nicht sein.

Wie weit "man" gehen darf oder soll, kann ich ebenfalls nicht beantworten. Das muss jeder für sich selber beantworten und das hängt vermutlich auch von der Stärke des Kinderwunsches ab. Ist der Wunsch riesengross, ist man bereit, mehr zu tun, weiter zu gehen. Ist es mehr eine mögliche Option als ein Muss, überlegt man sich die Strapazen besser. Wenn es für Sie immens wichtig ist, ein Kind zu bekommen, dann werden Sie die Grenzen ausloten und alles probieren. Und das ist meiner Meinung nach auch ok. Was nicht ok ist, ist wenn Sie es für Ihren Partner tun oder für Erwartungen, die von aussen kommen. Oder weil Sie hoffen, den Mann dadurch nicht zu verlieren. Ich kann mir denken, wie strapaziös all diese Behandlungen sind und man muss ganz genau wissen, wofür und für wen man das eingeht.

Und wenn es nicht klappen will, dann muss man sich damit auch abfinden. Wir können fast alles steuern auf unserer Welt. Nur diese eine Sache nicht, sind wir medizinisch auch noch so fortschrittlich und innovativ. Ein Kind lässt sich mit keinem Mittel dieser Welt erzwingen. Das ist sehr schmerzhaft und das kann ich gut verstehen. Aber es ist Realität. Und es macht Sinn, wenn man sich dieser Tatsache früher oder später stellt. Da kann zuweilen etwas professionelle Unterstützung vonnöten sein, schliesslich geht es um ein sehr diffiziles Thema.

An welchem Punkt Sie sich in diesem Prozess befinden, kann ich nicht abschätzen und ich würde es mir auch nicht anmassen darüber zu urteilen, wenn ich es wüsste. Dass Sie diese Frage in dieser Art formulieren lässt sich aber durchaus interpretieren. Nehmen Sie sich Zeit, sich all diesen Fragen zu stellen. Und nehmen Sie sich auch das Recht heraus, traurig zu sein. Dass man hier so machtlos ist, macht nämlich auch wirklich traurig und es ist sinnvoll, wenn man diese Gefühle auch zulässt.

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi

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