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Liebe Frau Freitag, ich bin eine 28 Jahre alte Geisteswissenschafterin auf Jobsuche. Obwohl ich einigermassen selbstbewusst bin, treffen mich Absagen - insbesondere mit Verweis auf mangelnde Arbeitserfahrung - immer sehr (ich habe vor zwei Jahren die Uni abgeschlossen und seither, aber natürlich auch schon während des Studiums, gearbeitet). Ich bin dann jeweils sehr traurig und verzweifelt und frage mich, wie das andere Leute handhaben. Haben Sie einen Rat? Paula Steffen, 28

Liebe Frau Steffen

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie andere Leute das handhaben, aber ich denke einmal, dass eine Absage niemanden kalt lässt. Ganz egal, in welchem Kontext man diese erhält.

Ich habe im Rahmen meiner NLP Ausbildung gelernt, dass es fünf verschiedene Gestaltungsebenen gibt, auf welcher man eine Kränkung, zum Beispiel wie bei Ihnen im Form einer Absage, erfahren kann. Am meisten schmerzen Kränkungen auf der Ebene der Identität oder Rolle, weil sie dann den innersten Kern unseres Seins berühren. Sie aber schreiben, dass die Begründung auf mangelnder Arbeitserfahrung beruhen. Das betrifft die Ebene der Fähigkeiten und diese ist weniger schmerzempfindlich, weil man einfacher daran arbeiten und sie verändern kann, anders, als wenn man einen schwierigen Charakter hat, verstehen Sie was ich meine? Es wäre viel härter und schwerer verdaubar wenn man Sie nicht einstellen würde, weil Sie sozial unverträglich oder dermassen unsympathisch sind, dass man Sie keinem Team zumuten kann...

Aber das sind Sie mit Gewissheit nicht. Sie sind 28 und damit noch sehr jung und dass man Sie nicht einstellt, weil Sie noch keine Berufserfahrung haben und Sie darum keine sammeln können, grenzt natürlich beinahe schon an Zynismus. Aber Sie sind nicht die Einzige, die genau dies zu hören bekommt, das kennt jeder, der die ersten Jahre nach seiner Ausbildung bewältigen und den Einstieg ins Berufsleben schaffen muss.

Darum rate ich Ihnen zur Konfrontation und wie immer zur Flucht nach vorn. Nehmen Sie sich doch einmal etwas Zeit und überlegen Sie sich, was diese Tatsache alles für Vorteile hat. Dass Sie noch keine langjährige Arbeitserfahrung haben heisst auch, dass Sie noch unverbraucht und flexibel sind. Dass Sie noch interessiert sind und nicht wie viele andere an der schlimmen Erkrankung der Betriebsblindheit leiden. Ihr Studium liegt noch nicht Ewigkeiten zurück und Ihr Wissen ist darum auf dem aktuellsten Stand (falls es so etwas in Geisteswissenschaften überhaupt gibt, da kenne ich mich als ungebildeter Mensch ja so gar nicht aus). Darüber hinaus sind Sie wahrscheinlich günstiger, als Kollegen und Kolleginnen mit viel Berufserfahrung, wenn dies auch ein Argument ist, welches ich persönlich nicht so mag.

Also meine liebe Frau Steffen. Machen Sie aus der Not eine Tugend. Erwähnen Sie den Punkt, aber zeigen Sie auch selbstbewusst dessen Vorteile auf. Betonen Sie die Arbeitserfahrungen, welche Sie im Studium und danach gesammelt haben. Schreiben Sie alles in BOLD, damit auch der dilletantischste HR-Heini sie nicht übersieht. Seien Sie keck und fragen Sie direkt, wie Sie denn bitte Berufserfahrung sammeln sollen, wenn man Sie nicht lässt! Lassen Sie sich also nicht unterkriegen und vergessen Sie nie, im Job wie auch sonst im Leben gilt: "Frechheit siegt!"

Recht herzlich, Ihre Kafi.

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