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Liebe Frau Freitag. Gibt es überhaupt gute oder schlechte Menschen? Sind wir letztlich nicht einfach ein Produkt unsere Erfahrungen und Vergangenheit? Es geht mir nicht darum, ob man Menschen aufgrund ihres Charakters verurteilen darf, sondern vielmehr darum ob sich damit alles entschuldigen lässt. Theoretisch können wir ja nichts dafür, wer oder wie wir sind. Sie können mir entgegnen, dass man ja in jeder Situation eine Entscheidung selber treffen kann (ob man beispielsweise jemandem hilft oder nicht) aber irgendwie hat es ja auch einen Grund, warum wir uns so entscheiden. Oder ist es bloss Faulheit? Oder sind wir alle von Grund auf böse und einige können dies vertuschen? Und gäbe es dann echt altruistisches Verhalten überhaupt? (Und ja, ich befinde mich in einer (post)-pupertären Philosophiephase, aber das Thema lässt mir irgendwie keine Ruhe...) Herzliche Grüsse. Janina, 17

Liebe Janina

Meine pubertäre Philosophiephase liegt nun zwar schon einige Zeit hinter mir, aber das Thema beschäftigt mich trotzdem auch immer wieder, was darauf hinweisen könnte, dass die Pubertät in Tat und Wahrheit nie wirklich endet, oder aber nahtlos in die Midlifecrisis übergeht. Dafür würde auch die Frage eines 60 jährigen Mannes sprechen, der mir jüngst eine ähnliche Frage geschickt hat, welche ich demnächst beantworten werde.

Ich glaube, wir sind das Produkt vieler Einflüsse und Prägungen, die sich mit gewissen Anlagen mischen, die wir bei der Geburt bereits mitbringen. Natürlich wiegen die Erfahrungen und die Vergangenheit schwer, sonst würden sich Menschen mit einer vermurksten Kindheit nicht ihr Leben lang schwer damit tun. Aber wie Sie richtig vermuten, liegt es in unserer eigenen Verantwortung, wie wir Erfahrungen gewichten und mit den Folgen umgehen.

Mir begegnen immer wieder Menschen, die zutiefst frustriert scheinen und ihre eigene Frustration und Enttäuschung mit Boshaftigkeit und Missgunst gegenüber ihrer Umwelt kompensieren. Dass diese nicht gerade mit Begeisterung darauf reagiert, kann man sich denken. Aber anstatt sein eigenes Verhalten zu überdenken, fühlen sich diese Menschen nur noch mehr bestätigt in ihrer Ablehnung und ihrem Defätismus und begeben sich damit in eine nicht mehr enden wollende Abwärtsspirale.

Dementsprechend kann vermutlich nur ein in sich ruhender und halbwegs zufriedener Mensch ehrlich altruistische Gefühle entwickeln, die nicht auf Wiedergutmachung und Ausgleich abzielen.

Ich weiss nun wirklich nicht, ob ich Ihre Frage auch nur annähernd beantwortet habe, denn die Philosophie lässt mehr Fragen offen, als sie beantwortet. Aber hören Sie bitte niemals damit auf, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, denn in der eigenen Reflektion steckt der Keim jeglicher Entwicklung.

Mit ganz herzlichem Gruss und Dank für Ihre nachdenkliche Frage. Ihre Kafi.

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