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Ich bin seit 15 Jahren in einer Beziehung. Die Schmetterlinge haben sich gelegt & ist einer schönen Vertrautheit gewichen. Nur empfinde ich kaum mehr sexuelle Gefühle meinem Freund gegenüber. Er versucht viel, aber ich mag nicht. Ich ziehe mich zurück, wenn er gerne wiedermal Sex haben will. Und wenn, so bin ich passiv, kann mich nicht fallen lassen. Ich verstehe, dass es ihn verletzt, wenn ich ihn zurückweise & ich will das nicht. Aber ich weiss nicht, was ich tun soll. Hast du mir einen Rat? Manuela, 35    

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Liebe Manuela

Was Sie mir beschreiben, erleben praktisch alle Paare früher oder später. Es ist vollkommen normal, dass die Lust mit der Zeit abnimmt, es ist eine Frage der Hormone und der Körperchemie und die ist nie so stark auf Vereinigung gepolt, wie zum Anfang einer Beziehung. Bereits nach wenigen Monaten müssen die "fickmichständigundüberall" Launen dem Programm für Bindung und Nähe Platz machen. Das ist genau die Vertrautheit, die Sie jetzt erleben. Ein sehr schönes und starkes Gefühl, aber leider nicht unbedingt förderlich für die Libido.

Wenn man länger zusammen ist, dann kommt man sich sehr nah. Sehr viel Intimität entsteht und der Alltag macht aus einem ein gut funktionierendes Team. Man putzt sich nebeneinander die Zähne, ich kenne sogar Paare, welche nach einer gewissen Zeit die Toilettentür offen stehen lassen. Man wird schleichend zu Bruder und Schwester, das Verlangen macht sich davon. Und das ist auch vollkommen natürlich und richtig. Schliesslich ist der gesunde Mensch darauf programmiert, die eigene Schwester und den eigenen Bruder nicht zu begehren, Inzest soll möglichst vermieden werden weil die daraus entstehenden Kinder nicht genügend neue DNA mit auf den Weg bekommen. 

Das ist alles schön und gut. Nur, was machen Sie jetzt mit dieser Tatsache, werden Sie sich fragen, gell. Die Lösung ist relativ einfach und gleichzeitig wahnsinnig anspruchsvoll. Sie besteht darin, sich wieder etwas fremd zu werden, ohne sich gänzlich abhandenzukommen. Sie sehen Ihren Partner nur noch aus ihren eigenen Augen und haben das Gefühl, genau zu wissen, wer er ist. Was er denkt und was er fühlt. Das passiert im Laufe einer Beziehung und ja, es macht sexuell desinteressiert. 

Wir Frauen tragen unsere erogenste Zone nicht zwischen den Beinen, sondern im Kopf. Wir brauchen mehr, um in Fahrt zu kommen. Da reicht ein Bild eines spärlich bekleideten Mannes in der Regel nicht aus und darum sind wir nicht unbedingt Zielgruppe von Pornos, in denen es nur um Reinraus Aufnahmen geht. Unser Gehirn will stimuliert werden, es will Aufregung verspüren. Diese ist auch in der Unsicherheit zu finden, die am Anfang einer Beziehung herrscht. Man ist sich nie ganz sicher, ob der andere bleibt, oder nicht. Das löst etwas in einem aus, auch wenn man es intellektuell nie zugeben würde. 

Viele Paare versuchen den verloren gegangenen Kick im gemeinsamen Schauen von Pornos, oder sogar dem Besuch in einem Swingerklub wieder aufleben zu lassen. Das kann man machen, aber ich halte nicht sehr viel davon. Denn irgendwann wird auch dieser Thrill zur Normalität und was kommt dann? Treibt man es dann in der Öffentlichkeit auf einem Meerschweinchenfell oder was? Sprechen Sie mit Ihrem Mann über Ihre Gefühle. Es kann gut sein, dass er davon weniger betroffen ist. Männer sind auf eine andere Weise erregbar, als wir Frauen und darum von der Thematik etwas weniger betroffen. Allerdings kennt jeder Mann die Tatsache, dass fremde Haut mehr reizt, als jene, die man jahrelang berührt hat. Warum würde man(n) und frau sich sonst auf riskante Seitensprünge einlassen?  Wenn Sie beide einen ehrlichen Umgang mit dieser Tatsache entwickeln, kann daraus ein grosses sexuelles Revival entstehen!

Dafür werden Sie sich mit der Frage von Nähe und Distanz auseinandersetzen müssen. Was braucht es, damit man sich wieder etwas fremd fühlt? Reicht es, dass man regelmässig ohne den Partner ausgeht, oder braucht es ab und an getrennte Ferien? Oder gar zwei Wohnungen? Suchen Sie sich auf jeden Fall Interessen, denen Sie alleine nachgehen. Mit den Jahren verliert man in einer festen Beziehung viel an Eigenständigkeit und gerade die war es doch, die man Anfangs so spannend und aufregend fand! Die Paare ein meinem Umfeld, die sich auch nach Jahren noch sexuell begehren zeichnen sich alle dadurch aus, dass man gegenseitig nicht aufeinander sitzt und sich auch mal uneinig ist. Harmonie ist eine schöne Sache, aber das Ficken fördert sie nicht. 

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi

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