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Hoi Kafi. Wie bringt man ein Kind davon ab, Fluchwörter zu benutzen? Liebe Grüße Sandra, 30

Liebe Sandra

Oh Shit! Mit dieser Frage sind Sie bei mir nun tatsächlich an der falschen Adresse, bin ich doch eine große Liebhaberin des gepflegten Fluchens. Ich finde es eine wunderbare Ausdrucksform und ich mag den besonderen Singsang, wenn Anderssprachige es tun.

Vor ein paar Monaten saß ich während etwa sechs Stunden bei einer brasilianischen Extension-Expertin (ein Hochzeitsgeschenk, den Roboterstaubsauger hatte ich bereits) und hatte die Gelegenheit, vielen Gesprächen zu lauschen. Das heißt, verstanden habe ich selbstverständlich kein Wort, schließlich spreche ich kein Portugiesisch. Aber dennoch war mir klar, dass zeitweise ganz schön die Post abging. Es wurde immer mal wieder saumäßig laut, und ich hatte zwischendurch etwas Sorge, dass ich mitten in der Prozedur mit einer nicht beendeten Haarverlängerung den Salon verlassen müsste, weil die Damen sich gegenseitig die Scheren in die Rippen rammen würden. Aber dem war natürlich überhaupt nicht so, es wurde nur sehr leidenschaftlich diskutiert.

Diese Geschichte hat vielleicht nicht direkt mit dem Fluchen zu tun, aber indirekt eben schon, weil es in gewissen Kulturkreisen dazugehört, dass man seine Stimmung in die Sprache und deren Lautstärke legt. In Japan wiederum wird man kaum jemanden erleben, der laut wird oder sogar flucht. Und bei uns ist man ebenfalls eher zurückhaltend, es sei denn, man verfolgt angetrunkene Stammtischgespräche oder politische Diskurse auf Facebook. Aber wie gesagt, mir persönlich gefällt diese Direktheit recht gut. Ich empfinde sie als eine Art Ventil. Darum fluche ich wahnsinnig gern und ich freue mich schampar, wenn ich wieder ein neues Fluchwort in meinen Sprachgebrauch aufnehmen kann. Über Jahre fand ich zum Beispiel den Begriff »Arschloch« ganz furchtbar und ich verwendete ihn darum nicht. Aber dann wurde mir plötzlich bewusst, dass es Menschen gibt, auf die einfach keine andere, passendere Bezeichnung zutrifft, und darum habe ich ihn ganz bewusst wieder reaktiviert. Wichtig ist allerdings, dass man solche Wörter nicht inflationär verwendet, sonst verlieren sie selbstredend an Kraft. Ein anderer Begriff, der beinahe schon zugeschüttet war und den ich in letzter Sekunde aus der Versenkung gerettet habe, ist »futzdumm«. Ein herrlicher Ausdruck, der vor etwa zwanzig Jahren seine Blütezeit erlebte und seither kaum mehr verwendet wird.

Sie sehen, bei mir werden Sie keine pädagogisch wertvolle Antwort auf Ihre Frage erhalten, so leid es mir tut. Denn ich fluche auch vor meinem Kind. Ich bin keine dieser korrekten Mütter, die aus einem Arschloch ein Astloch machen, kaum steht der Nachwuchs daneben. Dafür müsste ich viel zu viel überlegen, und meiner Meinung nach geht es beim Fluchen eben genau darum, möglichst NICHT zu denken, sondern vollkommen impulsiv und unüberlegt loszulegen. Sie fragen sich jetzt bestimmt, welchen Einfluss diese meine Vorliebe auf meinen Sohn hat. Es ist interessant, denn natürlich ist es nicht so, dass er keinerlei Schimpfwörter benutzen würde, das wäre ja auch allzu seltsam. Aber er benutzt seine Sprache ziemlich differenziert und bewusst. Er weiß genau, wann er flucht. Und das finde ich sehr wichtig. Viel bedenklicher finde ich, wenn Kinder Ausdrücke in ihre Sprache einweben, von denen sie keine Ahnung haben, was sie bedeuten. So kann es schon mal passieren, dass eine Zehnjährige auf dem Pausenplatz zur anderen sagt: »Krass geiler iPod, den du da bekommen hast, du müsstest mal wieder richtig durchgefickt werden.« Und nein, diesen Dialog habe ich mir nicht aus den Fingern gesaugt, er wurde tatsächlich eins zu eins so geführt. Sprache verfügt über eine unglaublich starke Kraft. Es ist wichtig, dass wir sie darum mit Sorgfalt anwenden. Für mich gibt es keine verbotenen Wörter und ich zensiere auch die Sprache meines Kindes nicht. Aber ich erkläre ihm fortwährend die Bedeutung des Gesagten. Das ist vermutlich auch der Grund, warum er den Begriff »Figg dini Muetter« bis heute genau ein einziges Mal verwendet hat. Und darüber hinaus verliert das Fluchen doch auch seinen Reiz, wenn sich niemand im großen Stil darüber aufregt. Denn was reizt Kinder mehr als Verbote der Eltern?

In diesem Sinne: Einen verdammt schönen Tag und lieben Gruß. Ihre Kafi

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