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Hallo Kafi. Ich würde deinen Blog glatt als Google für Lebensfragen mit nur einem Suchergebnis bezeichnen, danke für die tollen Antworten! Meine Frage: Wieso werden Frauen viel schneller als, entschuldigen Sie den Ausdruck, Schlampen als Männer bezeichnet, wenn sie Bettgeschichten haben? Ist es denn den Frauen nicht erlaubt in den jungen Jahren Erfahrungen zu machen? Beste Grüsse. Silke, 21

Liebe Silke

Mit nur einer Antwort??? Ja sind Sie denn wahnsinnig geworden? Haben Sie noch nie die Kommentarspalten gelesen? Wenn man sich diese zu Gemüte führt, erhält man schnell mal den Eindruck, dass es jeweils etwa 12 Antworten sind. Denn jede/r versteht sie bitzli anders. Die meisten gar nicht. Aber Sie anscheinend schon. Uff. Danke!

Ich weiss nicht, ob Sie ob meiner Leidenschaft für Trash-TV wissen. Alles, was mein Hirn nicht übermässig beansprucht, finde ich prima. So zum Beispiel auch Bachelorette. Dieses Gebalze und Gesülze. Dieses sich auf peinlichste Art und Weise exibitionieren, wunderbar! Die bezaubernde Zaklina hat es einem aber auch einfach gemacht, mit ihr diese schwierigen Tage der Entscheidung auf Thailand zu verbringen! Sie hat sich, nachdem sie 4 Kandidaten innig geküsst und geknuddelt und den schmollmundigen Simon vielleicht noch bitzli mehr (seine erstes Mal vermutlich) hat, sich dann schlussendlich für den härzigen Michael entschieden, der glaubs noch bei seinem Mami wohnt. Oder zumindest dort zum Brunch geht, am Wochenende wenigstens. Als die ganze Bande dann wieder zusammen gekommen ist, ums ich für die letzte Sendung nochmals in Pose zu werfen, ging es ganz schön ab. Der Claudio, der beinahe eine Sprechbehinderung entwickelt, weil er immerzu seine Lippen mit den Zunge benetzen muss, hat dort mit Stolz geschwellter Brust gesagt, dass er heilfroh ist, dass er der Zaklina nicht auf den Leim gekrochen ist, wo diese doch mit so vielen rumgemacht hat, was diese mit einem süffisanten Lächeln quittierte. Und mit der Tatsache, dass er ihr trotz alledem noch immer liebesbrünstige SMS schreibt, von Zeit zu Zeit. Aber das wissen Sie alles bereits, wenn Sie die wunderbaren Zusammenfassungen unserer noch wunderbareren Simone Meier gelesen haben.

Warum ich das schreibe? Weil ich recht erstaunt war, dass es sonst nicht wirklich ein Thema war. Noch vor ein paar Jahren wäre eine Frau, die sich öffentlich in wechselnde starke Arme wirft, als Schlampe tituliert worden. Und auch sonst ist es an der Tagesordnung, bei Frauen mit anderen Ellen zu messen, als bei Männern. (Homer Simpson hat in 500 Folgen über 50 Männer geküsst und niemand scheint sich wirklich darüber aufzuregen.) Das ist auch einer der Gründe, warum die Glaubwürdigkeit und Würde einer Gina Lisa Lohfink in den Augen vieler Menschen nichts wert sind, während ein Mann mit ähnlichem Lebenswandel ein toller Hecht ist. Warum das so ist, kann ich auch nicht genau sagen. Aber ich vermute - einmal mehr - dass es in der Aufgabenteilung liegt, welche die Natur ursprünglich mal über den beiden Geschlechtern verhängt hat und welche auch im Tierreich oft zum Tragen kommt. Das Männchen ist wichtig, wenn es darum geht, das Weibchen zu befruchten. Danach ist die Aufgabe vieler männlicher Tierarten getan, nur ganz wenige kümmern sich auch danach um die Aufzucht der Kleinen. Dementsprechend liegt die volle Verantwortung bei den Weibchen, die sich nach dem Werfen hingebungsvoll um die Brut zu kümmern haben. Das war vor noch nicht allzu langer Zeit bei uns Menschen nicht viel anders, die moderne Aufgabenteilung innherhalb der Familien ist noch sehr jung.

Ebenfalls sehr jung ist auch die Möglichkeit von uns Frauen, zu verhüten. Die Pille ist erst seit 55 Jahren auf dem Markt. Zuvor war Empfängnisverhütung eine Art russisches Roulett und über jedem sexuellen Kontakt hing das Damoklesschwert einer ungewollten Schwangerschaft. Eine junge Frau konnte es sich nicht leisten, einfach mal unbeschwert etwas herumzuprobieren, während es für Jungs bedeutend einfacher war. Heute ist es dank diesen Errungenschaften kein Thema mehr. Und dennoch stecken all diese Bilder und Vorstellungen noch immer in unserer Gesellschaft fest. Das ist leider ganz normal, die Geschlechterrollen verändern sich in unseren Köpfen bedeutend langsamer, als es uns lieb ist. Es braucht immer ein paar Generationen, bevor das Neue zum Standard wird und diese Prozesse der Veränderung greifen.

Wir können Sie beschleunigen, indem wir über unser eigenes Denken wachen. Jede noch so lustig gemeinte Aussage, welche ein solches Klischee untermauert, ist ein Bärendienst an der Entwicklung hin zu einem neuen Bild. Und wir können damit anfangen, uns selber so zu verhalten, wie wir finden, dass es angemessen erscheint. Angemessen ist im Jahr 2016, dass eine junge Frau die gleichen Rechte und Pflichten hat, wie ein junger Mann. Und das heisst auch, dass sie das Recht hat, sexuell zu experimentieren und sich auszuprobieren.

Gleichzeitig lege ich allen jungen Menschen, Frauen wie auch Männern ans Herz, sich nicht unbewusst in Situationen zu begeben, die ihnen nicht gut tun. Nicht selten begegnen mir Frauen in der Praxis, die sich auf der Suche nach Liebe in sexuelle Geschichten begeben haben und danach enttäuscht waren und sich ausgenutzt fühlten. Wir Frauen wollen oft, dass man uns gern hat und tun dafür Dinge, die nicht adäquat sind. Es ist darum sinnvoll, sich jeweils kurz die Zeit zu nehmen und herauszufinden, welche Motive uns in welche Situationen manövrieren. Wenn eine junge Frau mit jemandem ins Bett steigt, weil sie Lust hat und ausprobieren will, ist das nichts als in Ordnung. Wenn sie es tut, um den Mann zu hgefallen oder ihm zu imponieren, dann tut sie sich damit keinen Gefallen. Und zwar unabhängig davon, was Andere davon halten. Das hat schlussendlich einfach mit Selbstliebe zu tun. Bei Frauen wie Männern.

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi

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