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Frau Freitag, Sie sind grossartig. Edelmütig, weise und klug. Und so erfrischend direkt. Sie müssen Deutsche sein. Thomas Meyer, 38

Mein lieber Herr Meyer

Sie haben natürlich recht. Wenn auch nur zur Hälfte. Und dennoch irgendwie recht. (Männer mögen es, recht zu haben und sei es auch nur zur Hälfte, ist schliesslich immer noch besser als gar nicht recht haben. Da ist er pragmatisch, der Mann an sich).

Denn zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. Ich bin zur Hälfte Deutsche und zur andern Hälfte Schweizerin. Bei Fussball-Grossanlässen wie einer Europameisterschaft bin ich jeweils zu 100 % Deutsche, während ich immer dann wahnsinnig Schweizerin bin, wenn ich sehe, wie in unserem Land alles so reibungslos funktioniert. Und immer dann, wenn ich Leitungswasser trinke. Vor allem dann, wenn ich ausserhalb der Schweiz merke, dass es besser ist, kein Leitungswasser zu trinken. (Und das geht mir bereits ennet der Grenze ein bisschen so.) Das alles bringt mich nicht selten in einen Loyalitätskonflikt. Weil die UEFA EURO 2008 ebenfalls reibungslos über die Zürcher Bühne lief und ich auch selbst dann noch Leitungswasser getrunken habe, wenn die Deutschen spielten und der Löw in seinem hautengen weissen Hemd am Rand die Arme verwarf und sich in der Nase bohrte.

Herr Meyer Sie sehen selber:  Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. Und dabei bin ich doch eigentlich in erster Linie Europäerin. Ich glaube an den Euro und ich mag es, dass man Griechenland unter die Arme greift. Weil das irgendwie nach Familie klingt und ich mir auch gewünscht hätte, dass die meinige mir unter die Arme greift, als ich vor gefühlten 20 Jahren ein Griechenland war. Aber Sie hat es leider nicht getan und ich geriet in eine schwere Währungskrise, von der ich mich trotz der Hilfe eines halsabschneiderischen Finanzinstituts erholt habe. Darum hoffe ich immer noch, dass die Schweiz sich irgendwann zu ihren Geschwistern bekennt. Weil es schon noch schön ist, wenn man sich in einer Grossfamilie wähnt, die sich irgendwie gegenseitig schaut. Auch wenn man dafür von seinem furchtbar hohen Ross auf ein etwas kleineres Pony umsteigen, und ein paar Eingeständnisse machen muss. Aber habe ich jetzt endlich genug über die Schweizer Aussenpolitik und den Euro-Rettungsschirm geschrieben um meine Verlegenheit etwas zu überspielen?

Danke für Ihre lieben Worte, Herr Meyer. Sie haben mich sehr berührt.

Ihre Kafi.

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